Der Brexit – Produktrechtliche Konsequenzen für die Wirtschaftsakteure in Deutschland
Interview mit RA Dr. Jens Nusser, LL.M.
Mit Ablauf des 31. Januar 2020 hat das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen. Dies hat unterschiedliche Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr und die in diesem Kontext tätigen Wirtschaftsakteure. Rechtsanwalt Dr. Nusser, Partner der auf das Umwelt- und Produktrecht spezialisierten Sozietät Kopp-Assenmacher & Nusser, steht uns für ein Interview zu den produktsicherheitsrechtlichen und produktumweltrechtlichen Auswirkungen für die deutschen Wirtschaftsakteure zur Verfügung.
Herr Dr. Nusser, kann man zum jetzigen Zeitpunkt schon abschließend beurteilen, welche produktrechtlichen Auswirkungen der Brexit haben wird?
Abschließend ist das noch nicht möglich. Produktrechtliche sowie zollrechtliche Konsequenzen hat der Brexit erst nach einer Übergangszeit. Der Übergangszeitraum gilt nach Art. 126 des Austrittsabkommens mindestens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020. In dieser Zeit gelten sämtliche harmonisierten Produktrechtsvorschriften gemäß Art. 127 Abs. 1 des Austrittsabkommens fort. Zudem bleibt das Vereinigte Königreich für die Dauer des Übergangszeitraumes weiterhin Mitglied der Europäischen Zollunion. Bis dahin darf das Vereinigte Königreich das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von harmonisierten Produkten also nicht verbieten, beschränken oder beispielsweise durch zusätzliche nationale Anforderungen behindern. Mit Ablauf des Übergangszeitraumes gilt das Vereinigte Königreich im produktrechtlichen Sinne als Drittstaat, sofern kein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union abgeschlossen wird. Kommt ein solches Abkommen nicht zustande, gilt das harmonisierte Produktrecht dort dann nicht mehr.
Was verstehen Sie unter harmonisiertem Produktrecht?
Das sind sogenannte Harmonisierungsrechtsakte der EU, die eine CE-Kennzeichnung verlangen, wie etwa die EMV-Richtlinie, die Maschinen-Richtlinie, die Niederspannungs-Richtlinie und die weiteren gut 70 CE-Rechtsakte. Im Hinblick auf die Frage, wann ein Inverkehrbringen von elektrischen und elektronischen Produkten gegeben ist, wird in diesen Rechtsakten durchgängig auf die erste Abgabe in der EU bzw. im Europäischen Wirtschaftsraum abgestellt. Wird also beispielweise eine Maschine von einem asiatischen Hersteller nach Ablauf des Übergangszeitraums an einen Großhändler im Vereinigten Königreich geliefert, ist diese Maschine noch nicht in Verkehr gebracht. Wird sie später in die EU geliefert, so muss sie den zu diesem späteren Zeitpunkt geltenden, ggf. strengeren produktrechtlichen Anforderungen genügen.
Gilt das auch für produktumweltrechtlich Rechtsakte wie die RoHS-Richtlinie, WEEE-Richtlinie, Batterie-Richtlinie oder Verpackungs-Richtlinie und deren nationale Umsetzungen?
Beim Produktumweltrecht ist zu differenzieren. Auch in diesem Bereich gibt es Harmonisierungsrechtsvorschriften, wie etwa die RoHS-Richtlinie oder die Ökodesign-Richtlinie, die eine CE-Kennzeichnung verlangen. Daneben stehen aber die weiteren von Ihnen genannten Rechtsakte - wie die WEEE-Richtlinie, Batterie-Richtlinie oder Verpackungs-Richtlinie - die ihre Grundlage in der abfallrechtlichen Produktverantwortung haben. Die in den jeweiligen nationalen Umsetzungsrechtsakten, in Deutschland dem ElektroG, BattG und VerpackG, geregelten Pflichten knüpfen an das Anbieten und in Verkehr bringen in dem jeweiligen Mitgliedstaat an.
Das bedeutet, dass sich bspw. nach dem ElektroG und VerpackG für die Hersteller von elektrischen und elektronischen Produkten (EEE) oder systembeteiligungspflichtigen Verpackungen mit dem Brexit nichts ändert?
Richtig, jedenfalls nicht in Zusammenhang mit diesen deutschen Rechtsakten. Nach dem ElektroG muss der Hersteller auch heute schon in Deutschland niedergelassen sein oder einen in Deutschland niedergelassenen Bevollmächtigten beauftragen. Auch nach dem VerpackG und dem BattG knüpfen die Qualifizierung als Hersteller und die damit einhergehenden Rechtspflichten an das Inverkehrbringen als erstmalige Abgabe in Deutschland an. Gerade die Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten (EEE) müssen aber bedenken, dass ihre Geräte immer auch in den Geltungsbereich von CE-Rechtsakten fallen. Am offensichtlichsten ist dies in Bezug auf die RoHS-Richtlinie bzw. die deutsche Elektrostoff-Verordnung, die ebenfalls für EEE gelten.
Dr. Jens Nusser, LL.M.
Rechtsanwalt
KOPP-ASSENMACHER & NUSSER
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