Geplante Abschwächung des deutschen Lieferkettengesetzes europarechtswidrig?
Die geplante Abschwächung des deutschen Lieferkettengesetzes (LkSG) durch die Bundesregierung könnte gegen EU-Recht verstoßen. Ein von Oxfam und Germanwatch in Auftrag gegebenes Gutachten der Professorin Anne-Christin Mittwoch, veröffentlicht am 10. Juli, kommt zu diesem Schluss.
Hintergrund und aktuelle Entwicklungen
Am 5. Juli, dem Tag der Veröffentlichung der europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) im Amtsblatt der Europäischen Union, einigten sich die Koalitionsspitzen im Rahmen ihrer Wachstumsinitiative darauf, den Geltungsbereich des LkSG deutlich abzuschwächen. Danach soll das LkSG für zwei Drittel der Unternehmen, die es derzeit erfasst, nicht mehr gelten.
Rechtsgutachten: Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot
Laut dem Gutachten verstößt diese geplante Abschwächung gegen das in Artikel 1 Absatz 2 der CSDDD verankerte Verschlechterungsverbot. Wörtlich heißt es dort: „Diese Richtlinie darf nicht als Rechtfertigung für eine Senkung des in den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten oder in zum Zeitpunkt der Annahme dieser Richtlinie geltenden Tarifverträgen vorgesehenen Niveaus des Schutzes der Menschenrechte, Beschäftigungs- und sozialen Rechte oder des Umwelt- oder Klimaschutzes dienen.“
Sollte die Bundesregierung an ihrem Plan festhalten, würde dies aber laut der Wissenschaftlerin genau der Fall sein. Art. 1 Abs. 2 der CSDDD lege zwei Voraussetzungen fest, die einen Verstoß belegen.
- Es müsste zu einer Abschwächung des Schutzniveaus der Menschenrechte, Beschäftigungs- und sozialen Rechten oder des Umwelt- oder Klimaschutzes im nationalen Recht kommen.
- Die CSDDD muss der Rechtfertigungsgrund für diese Abschwächung sein.
Die Wissenschaftlerin sieht beide Voraussetzungen im Fall der geplanten Abschwächung des LkSG als erfüllt an. Im Hinblick auf die erste Voraussetzung geht sie davon aus, dass auch eine Verengung des Geltungsbereichs zu einer Absenkung führe. Denn je mehr Unternehmen von der Richtlinie erfasst sind, desto besser sei der Schutz potenzieller Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Diese Aussage stützt sie auf den Wortlaut von Erwägungsgrund 31, welcher festschreibt, dass „Bestimmungen betreffend den Geltungsbereich“ das Schutzniveau der Richtlinie beeinflussen. Mit Blick auf die zweite Voraussetzung verweist sie auf den engen zeitlichen Zusammenhang der gesetzgeberischen Tätigkeit der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Verabschiedung der CSDDD.
Hält die Regierung an ihrem Plan fest, riskiert sie wohlmöglich ein EU-Vertragsverletzungsverfahren.